Alles im Blick!? Die Mirror-Cam – zweite Generation
Mercedes-Benz Trucks hat kürzlich die Mirror-Cam der zweiten Generation vorgestellt. Wie funktioniert der ‚digitale Rückspiegel‘, welche Assistenzsysteme werden unterstützt und wie wird das System kalibriert?
Für herkömmliche Seitenspiegel gilt ‚Einfallswinkel gleich Ausfallswinkel‘. Das bedeutet: immer, wenn der/die Fahrer(in) die Sitzposition ändert, ändert sich auch der Bereich, den man einsehen kann. Das ist bei der Mirror-Cam von Mercedes-Benz Trucks anders. Durch die Kamera-Bildschirm-Kombination sieht man immer das gleiche Bild, egal welche Sitzposition man eingenommen hat. Das Sichtfeld lässt sich aber auch individuell über das Türbedienfeld einstellen. Ein weiterer Vorteil: Verschiebt der/die Fahrer(in) das Sichtfeld so weit, dass die gesetzlichen Bestimmungen nicht mehr erfüllt sind, erhält man – anders als bei klassischen Außenspiegeln – einen Hinweis im Display. Mit einem Druck auf die Funktionstaste ist die Standardeinstellung wieder hergestellt.
Weiterentwicklung
Mercedes-Benz Trucks hat bereits 2014 im Rahmen der Studie ‚Mercedes-Benz Future Truck 2025‘ einen Lkw mit Seitenkameras anstelle von Außenspiegeln präsentiert. 2018 wurde die Mirror-Cam der ersten Generation in Serie eingeführt. Jetzt hat Mercedes-Benz Trucks dem System ein Update verpasst. Mit der seit April 2022 in den Actros- (inklusive eActros) und Arocs-Baureihen verfügbaren zweiten Generation der Mirror-Cam, haben die Schwaben das Kamerasystem in zahlreichen Details weiterentwickelt. So sind die Kameraarme auf beiden Seiten um jeweils zehn Zentimeter verkürzt worden. Das gilt sowohl für das schmalere als auch für das breitere Fahrerhaus. Dies brächte laut Mercedes-Benz Trucks den Vorteil, dass die Fahrer(innen) sich beim Rückwärtsfahren leichter tun. Zudem ist die Perspektive des gewohnten Glasspiegels noch ähnlicher. Die Verkürzung bringt noch einen weiteren Vorteil: Am 2,50 Meter breiten Fahrerhaus ragt der Kameraarm jetzt nicht weiter über die Fahrzeugkontur hinaus als der vom Fahrer gut sichtbare Rampenspiegel. Kollisionen mit Objekten am Wegesrand sind damit nun nahezu ausgeschlossen.
Zusätzlich wurde unten an der Mirror-Cam auch eine Tropfkante angebracht, die verhindern soll, dass Regenwasser auf die Linse gelangen kann und es dadurch zu unerwünschten optischen Effekten kommt. Last but not least haben die Ingenieure von Mercedes-Benz Trucks das sogenannte ‚Tone-Mapping‘ weiter optimiert. Gemeint ist ein Prozess, bei dem ein Bild so angepasst wird, dass ein großer Bereich von Tönen auf einem Medium richtig angezeigt wird, was sich vor allem in einer verbesserten Kontrastdarstellung zeigen soll.
Sicherheit und Komfort
Die vorgenommenen Überarbeitungen führen laut Mercedes-Benz Trucks insgesamt zu einem höheren Mehrwert der Mirror-Cam. Durch seine unterstützende Wirkung kann das weiterentwickelte System dazu beitragen, Situationen wie Überholen, Rangieren, Fahren bei schlechter Sicht und Dunkelheit, Kurvenfahrten und das Passieren von Engstellen jetzt noch sicherer und stressfreier bewältigen. Ergänzt wird das System wie bisher durch den Weitwinkelmodus beim Rückwärtsrangieren, durch Distanzlinien im Display zum besseren Einschätzen des Abstands zu Objekten, dem Mitschwenken des Kamerabildes bei Kurvenfahrten oder der Überwachung des Fahrzeugumfelds während der Rast.
Das Zusammenspiel der Mirror-Cam mit dem Abbiege-Assistenten, insbesondere in komplexen Verkehrssituationen und unübersichtlichen Kreuzungsbereichen, ist zusätzlich hilfreich. Sollte die Gefahr bestehen, dass ein Lkw-Fahrer beim Rechtsabbiegen einen Radfahrer oder Fußgänger wider Erwarten nicht sieht, kann das System im Rahmen seiner Systemgrenzen unterstützend eingreifen, den Fahrer mit Hilfe eines mehrstufigen Prozesses warnen und im Falle des ‚Active-Sideguard-Assist‘ (ASGA) bis zu einer eigenen Abbiegegeschwindigkeit von 20 km/h eine automatisierte Bremsung einleiten. Für die optischen Warnhinweise nutzt der Abbiege-Assistent auch weiterhin das Display der Mirror-Cam.
Kalibrierung
Muss der Kamera-Arm oder die Mirror-Cam aufgrund einer Beschädigung ausgetauscht werden, ist anschließend eine Kalibrierung in der Nfz-Werkstatt notwendig. Dazu müssen laut Daimler-Truck entsprechende Diagnose-Routinen ausgeführt werden. Letztlich wird dabei sichergestellt, dass das gesetzlich vorgeschriebene Sichtfeld auch tatsächlich vom Mirror-Cam-System abgebildet wird. Die Kalibrierung wird im Stillstand durchgeführt.
Die Firma Haweka bietet beispielsweise mit dem sogenannten SCC ‚Side-Cam-Calibration‘ ein Kalibriersystem an, dass in enger Zusammenarbeit mit Mercedes-Benz-Trucks entwickelt wurde. Der Aufbau des Systems erfolgt in wenigen Arbeitsschritten und funktioniert entgegen bisheriger Kalibriereinrichtungen ohne Zollstock, Holzlatten und Klebeband. Das SCC ist mobil einsetzbar, garantiert den Angaben zufolge eine erhebliche Zeitersparnis und kann auf jedem Untergrund installiert werden. Die eigentliche Kalibrierung erfolgt dann mittels Diagnose-Software des Fahrzeugs.
Beim Active-Sideguard-Assist (ASGA) basiert die Sensorik auf der Short-Range-Radar-Technologie. Die Sensoren werden bei Daimler-Truck in der Produktion über eine End-of-Line-Station (Dopplergenerator) erstkalibriert. Während des Betriebs kalibrieren sich die Sensoren in gewissen Grenzen selbst nach und können so Beladungsänderungen ausgleichen. Bei einem Tausch der Sensoren oder bei einer gravierenden Lageänderung, beispielsweise nach einer Unfallreparatur, müssen die Sensoren in der Nfz-Werkstatt über eine Kalibrierfahrt ebenfalls neu eingelernt werden.
Beitrag: Georg Blenk, Krafthand Medien GmbH
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