Freier Wettbewerb: Der Zugang zu den Fahrzeugdaten
Moderne Fahrzeuge generieren eine Unmenge an Daten. Der ungehinderte Zugang zu den Informationen entscheidet in Zukunft über einen fairen Wettbewerb.
Moderne Pkw sind rollende Hochleistungsrechner, die Entwicklung schreitet weiter rasant voran. Fahrzeuge mutieren gleichsam zum Datensammler, sie sind vernetzt, tauschen Daten mit Herstellern, Dienstleistern sowie untereinander aus. Dies ist einerseits Grundlage für intelligente Assistenzsysteme, andererseits auch für neue, interaktive Geschäftsmodelle.
Doch um welche Daten handelt es sich genau? Wo werden sie gespeichert? Wer kann darauf zugreifen? Wie steht es mit dem Datenschutz? Während die funktionsrelevanten Informationen über die OBD2-Schnittstelle ausgelesen werden können, handelt es sich bei den sogenannten Telematik-Daten um weiterführende Informationen. Der Einfachheithalber unterscheiden wir hier die Informationen in zwei Gruppen – die servicerelevanten (Fahrzeugzustands-) Daten und die profilrelevanten, nutzerindividuellen Daten.
Servicerelevante (Fahrzeugzustands-) Daten
Die gängige Brücke um die servicerelevanten Daten auszulesen ist die OBD2-Schnittstelle. Sie bezieht sich auf Fahrzeug-Zustandsinformationen und dient der Fehlersuche im Kfz-Betrieb. Der offene Zugang zu diesen Daten ist gesetzlich vorgeschrieben. Doch können über die OBD2-Schnittstelle längst auch andere Daten ausgelesen werden. Entsprechende Dongles, die auch auf dem freien Markt erhältlich sind, machen es möglich. Kombiniert mit dem Smartphone sowie angereichert mit Drittdaten können Endkunden bereits auf zahlreiche, fahrzeugindividuelle Mobilitätsdienstleistungen und Telematik-Services zurückgreifen. Die Voraussetzung ist allerdings, dass die Fahrzeughersteller die Schnittstelle auch entsprechend vollumfänglich für Dritte offen halten.
Während momentan die ‚Dongle-Lösung‘ die einzige Möglichkeit für den freien Markt bleibt, haben die Fahrzeughersteller ‚over the air‘ Zugriff auf die sogenannten ‚Live-Daten‘, die sich zumindest zum Teil ebenfalls auf den Fahrzeugzustand fokussieren. Neben dem e-Call, der seit 2018 für alle neu typgenehmigten Fahrzeuge Pflicht ist, lassen sich quasi mit dem ‚Service-Call‘ auch servicerelevante Statusdaten in Echtzeit an das Backend der Fahrzeughersteller übertragen. Dies kann der Zustand der Bremsbeläge, der Reifenverschleiß oder die aktuellen Füllstände von Motoröl, Kühlmittel, Wischwasser oder Bremsflüssigkeit sein. Die Mobilfunk-Schnittstelle inklusive SIM-Card, im Zusammenspiel mit dem Telematik-Steuergerät macht es möglich. So ist eine individuelle Servicesteuerung in Verbindung mit entsprechenden Angeboten von Seiten der OEMs möglich. Ein erheblicher Vorteil was das Nutzererlebnis sowie die Kundenbindung angeht.
Aus diesem Grund arbeiten Experten seit einiger Zeit an einheitlichen Telematik-Plattformen für den IAM. Diese ‚Daten-Marktplätze‘ verbinden Endkunden, den Teilehandel sowie die Kfz-Betriebe und verknüpfen fahrzeugseitige Daten, beispielsweise mit RMI-Informationen und zusätzlichen Produkt- und Serviceangeboten oder dem werkstattseitigen DMS-System. Grundlage einer einheitlichen Vorgehensweise bildet die Norm ISO-20078, die aktuell weiter entwickelt wird und die Anforderungen an das Web-Interface hinsichtlich Zugriff, Dateninhalte, Sicherheit und Zugriffssteuerung festlegt (Quelle: VDA).
Mit die Nase vorn hat beispielsweise Caruso, ein neutraler und offener Marktplatz für Mobilitätsdaten. Das Unternehmen der TecAlliance sorgt dafür, dass sämtliche Daten harmonisiert und DSGVO-konform über entsprechende Partner und Softwarelösungen den Werkstattbetrieben zur Verfügung gestellt werden. Die Macher möchten Schritt für Schritt möglichst viele Fahrzeughersteller und damit Fahrzeuge einbinden. Anteilseigner ist beispielsweise auch die WM SE. Ähnliche Bestrebungen haben auch Unternehmen wie Drivemotive oder Carmunication.
Profilrelevante Daten
Spannend und datenschutzrechtlich kritisch wird es bei den fahrerindividuellen, profilrelevanten Daten, die ein modernes Fahrzeug sammelt. Dazu gehören etwa die exakte GPS-Position, die gefahrenen Kilometer auf der Autobahn, der Landstraße, in der Stadt oder die Betriebsstunden der Fahrzeugbeleuchtung. Selbst einen Fahrerwechsel erkennen die Autos über die Einstellung des Fahrzeugsitzes. Die Mercedes B-Klasse, um nur ein Beispiel zu nennen, speichert sogar die Bewegungen des elektromotorischen Gurtstraffers. Dies lässt auf eine sportliche Fahrweise mit zahlreichen scharfen Bremsvorgängen schließen. Mehr als spannende Daten für Versicherer und andere Markteilnehmer, die Ihre Angebote maßgeschneidert ausrichten können.
Hinzu kommen ehedem freiwillig abgegebene Daten, die beispielsweise durch die Verbindung des Smartphones mit dem fahrzeugseitigen Bordcomputer zustande kommen, wie Telefonkontakte, Anrufverhalten, Musikgeschmack oder Nutzungsverhalten im Internet. All diese Informationen und noch viele mehr, ergeben ein individuelles Profil des Fahrzeughalters. Willigt der Kunde ein, beispielsweise durch Buchung von digitalen Diensten wie Mercedes ‚Me-Connect‘, ‚On-Star‘ von Opel oder ‚We-Connect‘ von Volkswagen, können theoretisch auch diese Profildaten an den Fahrzeughersteller oder an Dritte weitergeleitet und für entsprechende Infoservices genutzt werden. Das Problem ist allerdings, dass „nur die Fahrzeughersteller derzeit im Detail wissen, welche Daten in aktuellen Autos erzeugt, verarbeitet, gespeichert und gesendet werden“, so der ADAC. Wahrlich eine Blackbox für den Fahrzeugbesitzer und die Kfz-Betriebe, die Ihre Kunden dahingehend beraten möchten.
Freier Zugang zu den Daten
Zahlreiche Interessensverbände fordern den uneingeschränkten Zugang zu allen relevanten Daten. Der ADAC formuliert es so: „Automobilhersteller müssen für jedes Modell eine Auflistung aller im Fahrzeug erhobenen, verarbeiteten, gespeicherten und extern übermittelten Daten öffentlich anbieten. Der Fahrzeugbesitzer und alle Werkstattbetriebe (...) müssen freien Lese-Zugang zu allen Daten im Fahrzeug haben.“ Die Bundesfachgruppe ‚Freie Werkstätten‘ des ZDK stellte 2019 in einem Positionspapier ähnliche Forderungen auf: „Es müsse sichergestellt werden, dass die Fahrzeughersteller über keine alleinige Daten- und Zugangskontrolle verfügen. Nur dann sei die Vernetzung des Fahrzeugs für den Verbraucher fair und sinnvoll.“ Der Gesamtverband Autoteilehandel e.V. (GVA) zielt in eine ähnliche Richtung: „Entscheidet sich der Autofahrer für eine Anwendung eines unabhängigen Akteurs des Kfz-Aftermarket, muss dieser Anbieter den jeweils entsprechenden Zugang zur Onboard-Diagnose, zu Reparatur- und Wartungsinformationen beziehungsweise zu den notwendigen Fahrzeugdaten erhalten.“ Am Ende des Tages braucht es also eine transparente Regelung um allen Marktteilnehmern den Zugang zu relevanten Fahrzeug- und Kundendaten zu ermöglichen. Vorrausetzung ist, der Kunde willigt ausdrücklich ein und weiß genau was mit den Informationen geschieht!
Beitrag: Georg Blenk, Krafthand Medien
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