Bei Arbeiten an Hybrid- und Elektrofahrzeugen kommt speziell isoliertes und geprüftes Werkzeug zum Einsatz. Bild: Hazet

Bei Arbeiten an Hybrid- und Elektrofahrzeugen kommt speziell isoliertes und geprüftes Werkzeug zum Einsatz. Bild: Hazet

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Richtig gerüstet? Equipment für die Arbeit an Hochvoltfahrzeugen

Die Zulassungszahlen von Hybrid- und Elektrofahrzeugen steigen. Spätestens jetzt sollte man sich in Hinblick auf die notwendige Werkstattausrüstung aufstellen. Benötigt werden spezielle Werkzeuge und Sicherheitseinrichtungen.

Bei Arbeiten an Hybrid- und Elektrofahrzeugen kommt speziell isoliertes und geprüftes Werkzeug zum Einsatz. Bild: Hazet

Laut Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) wurden im ersten Halbjahr 2021 312.507 Fahrzeuge mit Elektroantrieb (BEV, Plug-In-Hybride, FCV) zugelassen. Das bedeutet eine Steigerung von 188,5 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Der Anteil an den Gesamtzulassungen beträgt stolze 22,5 Prozent. Es ist also eine Frage der Zeit, wann sich immer mehr Kunden mit einem Hybrid- oder Elektrofahrzeug an Sie wenden.

Gefahrenpotenzial

Bei Reparatur- oder Servicearbeiten in der Werkstatt kann grundsätzlich nie vollends ausgeschlossen werden, dass unter Spannung stehende Teile vom Mechatroniker berührt werden. Dies gilt bei Unfallfahrzeugen im Besonderen. Eine Unachtsamkeit oder der falsche Handgriff können an Hochvoltfahrzeugen (ab 60 V Gleichspannung oder 30 V Wechselspannung) schnell gesundheitliche, zumal gefährliche Konsequenzen haben. So genügen bereits 50 Volt, um einen lebensgefährlichen Strom von 50 mA (Milliampere) fließen zu lassen. Abhängig ist die Gefahr von der Haltedauer und der individuellen Physiologie des Mechatronikers/der Mechatronikerin, beziehungsweise des menschlichen Körperwiderstands, der zirka zwischen 700 bis 1.000 Ohm liegt. Umso mehr gilt es die Sicherheitsvorkehrungen bei Service- und Reparaturarbeiten einzuhalten (Unfallverhütungsvorschriften BGV/GUV-V A1, A3) sowie die Angaben, zum Beispiel zur Spannungsfreischaltung, der Pkw-Hersteller strikt zu beachten.

Anforderungen

Laut Berufsgenossenschaft Holz und Metalls muss grundsätzlich vor Arbeiten an Hochvoltfahrzeugen eine Gefährdungsbeurteilung durchgeführt werden, wobei auch die Verantwortlichkeiten definiert werden müssen. Zusätzlich ist eine Betriebsanweisung für den Umgang mit HV-Fahrzeugen zu erstellen. Hinzu kommt die entsprechend geforderte Qualifikation (Nach BGI 8686, Stufe 1-3) für Arbeiten an Hochvoltfahrzeugen (siehe auch Beitrag ‚Hochspannend – Wer darf was bei Hochvoltfahrzeugen?‘), die Grundvoraussetzung ist um überhaupt Hand anzulegen. Es gilt grundsätzlich: Keinerlei Arbeiten an Hochvoltfahrzeugen, auch wenn es sich um keine Arbeiten an der Elektrik/Elektronik handelt, ohne Unterweisung!

Werkzeuge/Ausrüstung

Jetzt kommt die geeignete Werkstattausrüstung ins Spiel. So gelten für Arbeiten an Hochvoltfahrzeugen die Vorgaben der DIN-Normen VDE 0105-100, DIN 0100-10. Es sind VDE-geprüfte Werkzeuge notwendig, die einen Isolierschutz bis 1.000 V garantieren. Sämtliche Handwerkzeuge, inklusive Drehmoment- oder Ringschlüssel müssen nach IEC 60900 entsprechend ihrer Isolierung stückgeprüft sein. Im Übrigen: Zahlreiche Werkzeughersteller bieten komplette Werkzeugwagen mit entsprechenden HV-Tools an. Hinzu kommt eine entsprechende Schutzausrüstung, die aus Isolierhandschuhen, Isoliermatte und Augenschutz besteht.

Dringend vorgeschrieben ist zusätzlich die Absicherung des Arbeitsplatzes, beziehungsweise die besondere Kennzeichnung des Autos als Hochvoltfahrzeug mittels ‚Hütchen‘. Definieren Sie am besten einen fixen Arbeitsplatz, den sie bei Bedarf mit Absperrpfosten inklusive Bänder oder Scherensperren absichern. So lässt sich auch das benötigte Equipment griffbereit platzieren, die Aufmerksamkeit wird nicht durch eine unnötige Suche nach Werkzeugen beeinträchtigt. Ein Stehpult, inklusive Rechner, auf dem Sie fahrzeugrelevante Informationen abrufen, ergänzt die Werkstattausrüstung. Auch die Platzierung einer Ladeeinheit (Wall-Box) am Arbeitsplatz macht Sinn. So können Sie Ihren Kunden den ‚vollen‘ Service bieten.

Auch die Ratsche ist komplett isoliert, was im Übrigen auch für spezielle, zerleg- und reparierbare, Drehmomentschlüssel gilt. Bild: Hazet

Bevor Sie Hand anlegen

Arbeiten am Hochvoltsystemen sind nur nach Vorgaben der Herstellerfirmen und mit den vorgeschriebenen (Spezial-) Werkzeugen und Hilfsmitteln ausführen. Grundsätzlich ist vor Beginn der Arbeiten das Herstellen des spannungsfreien Zustandes am Fahrzeug sicher zu stellen. Je nach Modell kann die Vorgehensweise unterschiedlich sein. Im Regelfall handelt es sich um den ‚Service-Disconnect‘ im Motor- oder Kofferraum der entriegelt werden muss. Mitunter ist auch eine Zentralsicherung vorhanden. Selbstverständlich ist die ‚Zündung‘ aus.

Grundsätzlich gelten für Arbeiten an HV-Systemen fünf Sicherheitsregeln:

1. Freischalten
2. Gegen Wiedereinschalten sichern
3. Spannungsfreiheit feststellen
4. (Erden und Kurzschließen)
5. (Benachbarte, unter Spannung stehende Teile abdecken oder abschranken)

Beispiel: Spannungsprüfung

„Um das Feststellen der Spannungsfreiheit nach den Vorgaben der Berufsgenossenschaft vornehmen zu können, ist ein geeigneter Spannungsprüfer (nach DIN VDE 0682-401) oder das vom jeweiligen Fahrzeughersteller freigegebene Messequipment erforderlich. Ein handelsübliches Multimeter darf die Kfz-Werkstatt nicht verwenden, selbst wenn dessen Messbereich bis 1.000 V geht“, erklärt Autor Torsten Schmidt im Fachbuch ‚Hybrid- und Elektrofahrzeuge‘. Warum ist kein normales Multimeter geeignet? Ganz einfach: Bedienungsfehler müssen gänzlich ausgeschlossen werden. Nimmt man beispielsweise das Messen der Spannungsfreiheit mit falsch eingestelltem Messbereich – sprich Strom – anstatt Spannungsmessung vor und die HV-Anlage ist wider Erwarten nicht spannungsfrei, kann aufgrund des geringen Geräteinnenwiderstands im Modus ‚Strommessung’ ein sehr hoher Strom fliesen. Damit besteht die Gefahr, dass es am Multimeter beziehungsweise an den Messspitzen zur Lichtbogenbildung kommt. Greift ein Lichtbogen auf den menschlichen Körper über, sind Verbrennungen oder ein Verblitzen der Augen die Folge.

Feststellung der Spannungsfreiheit am Inverter-Eingang eines Hybridfahrzeuges mit einem geeigneten Spannungsmesser. Bild: Benning

Spannender Abschluss

Zur Wiederinbetriebnahme des Fahrzeugs sind exakt die Herstellerangaben zu beachten. Nach getaner Arbeit müssen zudem etwaige Schutzverkleidungen, die demontiert worden sind, wieder ordnungsgemäß angebracht werden. Die angewandten Sicherheitsregeln müssen in umgekehrter Reihenfolge wieder aufgehoben werden. Sämtliche Werkzeuge, Hilfsmittel, Absperrungen und Warnhinweise sind zu entfernen.

Letztendlich darf nur eine ausgebildete Fachkraft unter Verwendung speziell hergestelltem und geprüftem Werkzeug unter Spannung arbeiten. Die IEC 60900 legt die weltweiten Anforderungen an Werkzeuge fest, die EN 60900 schreibt sie in der EU vor. Möchten Sie auf der sicheren Seite sein, werden Sie im neuen Katalog zum Thema Service- und Wartung an Hochvoltfahrzeugen 2021/2022 fündig.  

     Georg Blenk, Krafthand Medien GmbH

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Beitrag: WM SE

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