Im Institut für Sensor- und Aktuatorsysteme der Technischen Universität Wien entwickelter piezoelektrischer Mikrosensor zur Detektion von physikalischen Flüssigkeitseigenschaften. Bild: TU Wien, Georg Blenk

Im Institut für Sensor- und Aktuatorsysteme der Technischen Universität Wien entwickelter piezoelektrischer Mikrosensor zur Detektion von physikalischen Flüssigkeitseigenschaften. Bild: TU Wien, Georg Blenk

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WM im Gespräch - Neuartiger Sensor misst die Öl-Viskosität

Die Viskosität von Motoren-und Getriebeölen ist ein Merkmal für die Qualität. Warum ein Öl austauschen, wenn es noch über die gewünschten Schmiereigenschaften verfügt? Andererseits können Öle auch frühzeitig altern. Wir haben mit dem Entwickler Dr. Georg Pfusterschmied über einen neuartigen Dichte- und Viskositätssensor, Ölqualitäten und Wechselintervalle gesprochen.

Moderne Kombisensoren messen den Motor-/Getriebe-Ölstand, den Öldruck sowie die Öltemperatur. Ein direkter Rückschluss auf die tatsächliche Ölqualität ist nicht möglich. Die Fahrzeughersteller geben Wechselintervalle vor. Sie beziehen sich auf die Kilometeranzahl oder auf definierte Zeitintervalle. Zugrunde liegen Anforderungen der OEMs und der Schmierstoffhersteller. Öle altern jedoch je nach Lastzustand des Motors und Getriebes und abhängig von den Randbedingungen.

 

Handelt es sich um einen sehr sportlichen Fahrer, vermehrt um Kurz- oder Langstreckenbetrieb, bei welchen Umgebungstemperaturen wird das Fahrzeug bewegt? Je nachdem kann ein frühzeitiger oder auch späterer Ölwechsel Sinn machen. Liegt man richtig, schont man den Antriebsstrang, beugt Verschleiß und etwaigen Schäden vor, entlastet andererseits die Umwelt und spart unnötige Kosten.

Dipl.-Ing. Dr .techn. Georg Pfusterschmied. Bild: TU Wien

6 Fragen an Forscher und Entwickler Herrn Dr. Pfusterschmied

 

WM SE: Sehr geehrter Herr Dr. Pfusterschmied, sie haben am Institut für Sensor und Aktuatorsysteme, der Technischen Universität Wien einen Dichte- und Viskositätssensor entwickelt, der zur Prüfung von Motoren- und Getriebeölen geeignet ist. Sie sind kürzlich dafür mit dem Fehrer-Preis der TU Wien ausgezeichnet worden. Was steckt dahinter?

 

Pfusterschmied: Die Grundlagen für die verwendete Technologieplattform basierend auf einem piezoelektrischen Mikroschwingbalken, wurden bereits vor rund acht Jahren im Rahmen meiner Doktorarbeit gelegt. Dabei sind Schwingungsmoden gefunden worden (sogenannte ‚roof tile shaped modes‘), die auch in hochviskosen Flüssigkeiten noch eine Schwingung zulassen, während konventionelle Schwingungsmoden maximal gedämpft werden. Im Verlauf meiner Doktorarbeit konnte ich dieses Konzept durch neue Ansätze signifikant verbessern und sowohl die Genauigkeit als auch die Praxistauglichkeit des Sensors zur Messung von Dichte und Viskosität von Flüssigkeiten demonstrieren. Diese Weiterentwicklung ermöglichte dann letztendlich die erfolgreiche Vermessung der Viskosität von Bitumen, einem extrem hochviskosen Material, welches als Straßenbelag verwendet wird. Ferner erlaubt der piezoelektrische Mikrosensor die Überwachung der Weinfermentation an Hand von Dichtemessungen. Entwickelt man den Sensor entsprechend weiter, so ist auch ein Einsatz in Pkw zur Messung der Dichte und Viskosität denkbar. Dies würde entsprechend Rückschlüsse auf die Ölqualität erlauben. Der Fehrer-Preis wurde sowohl für diese Grundlagen-, als auch anwendungsorientierten Leistungen im Bereich Mikrosensorik verliehen.

WM SE: Wie funktioniert der Sensor?

 

Pfusterschmied: Der Sensor besteht aus einem einseitig eingespannten, freistehenden Siliziumbalken. Durch das Aufbringen einer elektrisch kontaktierbaren, piezoelektrischen Dünnschicht aus Aluminiumnitrid kann der Balken gezielt in eine mechanische Schwingung in einer der oben genannten ‚roof tile shaped‘ Schwingungsmoden versetzt werden. Die piezoelektrische Schicht ermöglicht darüber hinaus auch ein direktes elektrisches Auslesen der mechanischen Bewegung und dient daher sowohl als Anregungs- als auch als Ausleseschicht. Wird diese schwingende Struktur von der zu testenden Flüssigkeit umgeben, so führt dies dazu, dass durch die Wechselwirkung der mechanischen Schwingung mit der Flüssigkeit dem Schwinger Energie durch viskose Effekte entzogen wird. Dies kann man dann als eine Änderung in dem mechanischen Schwingungsverhalten detektieren und mit geeigneten Kalibrierverfahren auf die Viskosität und Dichte der Flüssigkeit schließen.

WM SE: Wie kann man sich den Einsatz des Sensors bei modernen Pkw/Nkw vorstellen?

 

Pfusterschmied: Es wäre denkbar, dass diese Mikrostrukturen direkt in den Ölkreislauf integriert werden, um quasi ‚on board‘ eine Echtzeitüberwachung der physikalischen Eigenschaften wie Viskosität und Dichte zu ermöglichen. Die am piezoelektrischen Mikrosensor verwendeten Materialien erlauben eine Einsatztemperatur von bis zu 300°C und würden damit auch direkt im Pkw zum Einsatz kommen können. Da es sich um eine Sensorentwicklung im Rahmen einer universitären Forschungsarbeit handelt, ist für eine kommerzielle Anwendung allerdings noch entsprechender Aufwand notwendig, um beispielsweise die Sensorkapselung zu realisieren und die Genauigkeit des Sensors in den unzähligen kommerziell verfügbaren Motorölen zu untersuchen.

Der Mikrosensor ermöglicht die Echtzeitüberwachung von physikalischen Parametern wie Viskosität und Dichte sogar in hochviskosen Flüssigkeiten.

 

Dipl.-Ing. Dr .techn. Georg Pfusterschmied

WM SE: Welche Rückschlüsse in Bezug auf die Ölqualität lässt eine Veränderung der Dichte und der Viskosität zu?

 

Pfusterschmied: Zunächst muss hierbei erwähnt werden, dass insbesondere die Viskosität sehr stark temperaturabhängig ist und daher eine exakte Temperaturmessung absolut wesentlich ist. Eine Degradation des Öles entsteht durch chemische Umwandlungen wie zum Beispiel durch die Reaktion mit Sauerstoff und diese Veränderungen schlagen sich sowohl in Dichte als auch Viskosität wieder. Aufgrund der vielen unterschiedlichen Arten von Motorölen ist es an dieser Stelle aber schwierig hier eine eindeutige Antwort zu geben.

WM SE: Moderne Motoren- und Getriebeöle sind High-Tech-Produkte. Der Anteil an Additiven beträgt mittlerweile bis zu 40 Prozent, der Rest sind synthetische Grundöle. Das Zusammenspiel der Komponenten ist chemisch komplex. Ist der Sensor gänzlich gegen etwaige, chemische Einflüsse unempfindlich?

 

Pfusterschmied: Die verwendeten Materialien weisen allesamt eine hohe chemische Widerstandsfähigkeit auf. Darüber hinaus ist es auch möglich, den gesamten Sensor mit einer dünnen Schutzschicht wie zum Beispiel Siliziumkarbid zu überziehen, um ihn zusätzlich zu passivieren und vor chemischen Angriffen zu schützen. Was wir noch nicht abschätzen können, sind Ablagerungseffekte, die während der Ölalterung auftreten können und auch die Schwingungsparameter beeinflussen.

WM SE: Letztendlich geht es um ein optimales Wechselintervall. Das Öl sollte gewechselt werden, wenn es wirklich angezeigt ist. Welche Rolle spielt dabei die Wahl des korrekten, von den OE freigegebenen, Qualitätsöls?

 

Pfusterschmied: Der Sensor kann in der aktuellen Ausführung nur die physikalischen Eigenschaften des Öls detektieren, dabei aber nicht erkennen, um welches Öl es sich handelt. Da jedes Öl unterschiedlich altert, wäre es daher ohnehin notwendig, die Alterungscharakteristik des verwendeten Öls zu kennen oder zumindest einen ölabhängigen Schwellwert der Viskositätsänderung zu verwenden. In der Hinsicht ist eine Verwendung im Pkw nicht ganz einfach, da der Fahrzeugbesitzer bei jedem Ölwechsel nur Öle mit hinterlegten Daten verwenden dürfte. Was die Verwendung von Motor- und Getriebeölen angeht, so rate ich jedoch immer dazu Qualitäts- und Markenöle, die die entsprechenden Normen und OE-Spezifikationen erfüllen, zu verwenden. Vom Werkstattkunden selbst mitgebrachte Discounteröle sind keine Option!

 

 

Herr Dr. Pfusterschmied, wir danken Ihnen für das interessante Interview.

Beitrag: Georg Blenk, Krafthand Medien

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